Sommersemester 1982

Das Thema, das in diesem Sommer in fast allen Filmen auftaucht, ist das durch die Gesellschaft den Menschen aufgezwängte Rollenverhalten, bzw. folgerichtig in einigen der Filme, der Versuch, aus diesem Rollenverhalten auszubrechen.
 
Der Film "Die kleinen Fluchten" des Schweizers Yves Yersin beschreibt auf eine sehr sanfte Art die stille Revolution des Knechts Pipe. Anstatt sich aufs Altenteil zurückzuziehen, beginnt er die Welt um sich herum zu erforschen. Der Zuschauer wird durch Pipes "Kleine Fluchten" ermuntert "eigenes Leben" zu entwickeln fernab von den Regeln der Umwelt.
 
Der Film "Die Einsamkeit des Langstreckenläufers" des englischen Regisseurs Tony Richardson erzählt von der Weigerung eines Erziehungsheimschülers die Mißstände in dem Heim zu vergessen. Als er die Möglichkeit erhält, bei einem Langstreckenrennen im Falle eines Sieges aus dem Heim entlassen zu werden, bleibt er als sicherer Sieger vor dem Ziel stehen.
Der studentische Filmkreis nimmt das Sommerprogramm als Gelegenheit, einige der frühen Filme Tony Richardsons vorzustellen. Richardson ist ein Regisseur, der sich nicht darauf beschränkt hat, Kunst zu machen; Kino als Mittel, um Probleme verständlich und anschaulich zu machen und nicht, um Probleme zu 'verklären', so daß nur noch Insider den Sinn eines Films erkennen können.
 
Ein anderer Film aus der Schweiz, "Der Erfinder" von Kurt Gloor beschreibt die Geschichte eines Schweizer Bauern, der besessen ist von der Idee ein Gefährt zu bauen, das im Schlamm nicht stecken bleibt. Seine Umwelt reagiert voll Unverständnis auf seine Ideen und seine Bemühungen, diese Ideen umzusetzen. Sie stößt den phantasievollen Individualisten aus und steckt den von der Norm abweichenden Erfinder in eine Anstalt. "Versorgung" nannte man dies, und diese Bezeichnung existiert noch heute.
 
Der Film "Der Mieter" von Roman Polanski beschreibt das Unvermögen eines furchtsamen, sensiblen Angestellten, eigenes Leben zu entwickeln. Er läßt sich durch seine Mitmenschen zu einem Rollenverhalten treiben, dessen konsequente Ausführung sein eigenes Ende bereits überdeutlich vorzeichnet.
 
Drei Filme sind dieses Semester dem Thema "Amok im Film" gewidmet. Ein Amoklauf ist wohl der konsequenteste, da durch seine Brutalität irreversible Ausbruch aus menschlichem Rollenverhalten. Und wenn man sich das Spektrum der in kommerziellen Kines angebotenen Filme betrachtet, so sind über 50% der Filme von brutaler Gewalt geprägt! Gewalt als reine Unterhaltung?
Die drei Filme in diesem Sommersemester, die sich mit Amok befassen sind mehr als das.
 
Während der Film von Hans Noever "Der Preis fürs Überleben" einen Amoklauf als Entwicklungsgrundlage für einen Film im Stil der italienischen Politthriller benutzt, zeigt das Erstlingswerk von Peter Bogdanovich "Bewegliche Ziele" die Diskrepanz zwischen Film-Horror und der Wirklichkeit, deren Ausdrucksmittel der Film ja nun mal ist.
Der Streifen "Der Mann auf dem Dach" von Bo Widerberg übt ebenfalls Kritik an vorhandenen sozialen Verhältnissen. Und das mit einer Deutlichkeit, die einen "Mad Max" oder Charles Bronson als Babysitter geeignet erscheinen lassen.
 
Wir wünschen angenehme Kinostunden.