Der letzte Mann

Donnerstag, 2.2.1961 20:00  ! Köhlersaal
20:00 Der letzte Mann

Der Portier im Hotel Atlantic (Emil Jannings) ist ein angesehener Mann. Allerdings ist er nicht mehr der Jüngste, und als er sich eines Tages an einem Koffer verhebt, wird er vom Hoteldirektor versetzt: Er ist fortan für die Herrentoiletten zuständig. Wie soll er das nur seiner Familie erklären? Doch dann bietet sich ihm eine Chance.

„Der letzte Mann“ von Friedrich Wilhelm Murnau hatte seine Premiere im Jahre 1924.  Erstaunlich ist, dass dieser Stummfilm nur einen einzigen Zwischentitel hat, was aber nicht auffällt, bis der besagte einzige Zwischentitel zu sehen ist – dies kann man der hervorragenden Schauspielleistung von Emil Jannings und der Kameraarbeit von Karl Freund verdanken.

Wir zeigen Euch „Der letzte Mann“ stilecht mit Live-Klavierbegleitung durch Florian Nisbach vom Unikino der Uni Karlsruhe.

MH


Programmheft WS 1960/1961:

Carl Mayer und F. W. Murnau zeigen hier die Tragikomödie eines Hotelportiers, der stolz auf seine goldstrotzende Livree ist, den seine Familie und die Nachbarn aus dem Hinterhaus andächtig bewundern, als sei er ein großmächtiger General in seiner Uniform. Der Portier ist zu alt geworden, um wie einst schwere Koffer zu tragen; so wird er „abgesetzt" und bekommt zur Überwachung die Herrentoilette. Als letzter Mann muß er seinen Uniformprunk gegen eine schlichte, weiße Leinenjacke eintauschen. Seine Familie kommt sich entehrt vor, die Nachbarn, die für ihre einstige Bewunderung Rache nehmen, verhöhnen ihn. Diese kleinbürgerliche Tragödie ist im Ausland kaum mehr verständlich; sie kommt aus einem Land, in dem die Uniform zuzeiten leider gottähnlich war...

Das Fehlen von Zwischentiteln ermöglicht ein Übergleiten von einer Einstellung in die andere, die Handlung fließt, nur von rein visuellen Elementen getragen, weiter. Durch seine vielfachen Einstellungen entwickelt Murnau die Tragik der Symbole: der im Glanz seiner Uniform erstrahlende, vor Stolz aufgedunsene Hotelportier wird von unten aufgenommen, in der Art wie Sowjet-Regisseure einen zaristischen General oder einen fetten Kapitalisten fotografieren. Im Gegensatz dazu wird der seiner Pracht Beraubte von oben her aufgenommen — erscheint in seinem Niedergang erbärmlich klein und hinfällig...
Murnau, für den Bewegung alles bedeutet, ist der einzige deutsche Regisseur, der die Bewegtheit der Montage zu meistern verstanden hat... Der Erfolg des hinreißenden Auftaktes ist auf die souveräne Handhabung der „entfesselten" Kamera aufgebaut... Unter Murnaus einfühlender Leitung wird sie niemals für rein äußerliche Effekte verwandt. Jede Bewegung hat ein bestimmtes Ziel... Wenn Murnau die Kamera Überwacht, so werden alle visuellen Möglichkeiten ausgekostet... Die entfesselte Kamera beherrscht den Traum des trunkenen Hotelportiers, der das Resultat aller Eindrücke seines bewußten Wachlebens darstellt, in vollendeter Weise. Bewegung und Vision gleiten hemmungslos ineinander, werden zu dramatischen Faktoren, beschleunigen die Handlung, die sonst überall statisch bleibt.

(L. Eisner „Dämonische Leinwand")