La beauté du diable

Mittwoch, 10.5.1961 21:00  ! Köhlersaal
21:00 La beauté du diable

Programmheft SoSe 1961:

Daß „Faust" von Goethe sei, ist ein Vorurteil. Von Goethe ist nur einer unter den vielen Fäusten des Abendlandes: der gültigeste und größte freilich, der tiefste und universalste von ‚allen. Doch der Schatten, den er wirft, verbarg immer wieder die lange Reihe der Vor—‚ Nach- und Nebenfäuste, unter denen sich immerhin gewichtige Exemplare finden: von Marlowe, von Lessing, von Lenau, von Grabbe, von Heine (der war es auch, der da sagte, daß jeder seinen eigenen „Faust” geschrieben haben sollte), von Wedekind und Valery, zuletzt von Thomas Mann und, was den Film betrifft, von Murnau. Nun ist es René Clair, der aufs neue faustisch filmt; und daß sein Film-Faust, der mit Goethe so gar nichts zu tun hat, mithin gar kein richtiger Faust sei — wie gesagt: das ist ein Vorurteil.

Das Volksbuch vom Doktor Faustus, 1587 erschienen, blieb die eigentliche Quelle aller späteren Faust-Paraphrasen, bis endlich der optimistische Lessing, dem der ewige Endsieg der Hölle mißfiel‚ Faustens erstes Happy-End schrieb. Bei Goethe gab es dann, auf höherer Ebene, das metaphysischen Happy-End: „ . . . den können wir erlösen.” Auch bei Clair wird Faust erlöst, doch keineswegs auf metaphysischer Ebene, sondern mit Hilfe der irdischen Liebe, der allgewaltigen‚ die da stärker ist als Tod und Teufel und seit jeher der Filmweisheit letzter und wirksamster Schluß. — Dies ist ein sehr französischer Faust, bei dem auch das Düstere seinen Charme hat und das Zwiespältige seine Balance. Himmel und Hölle bleiben beiderseits wohltemperiert. Es wird gemütlich. Es waren ja auch, im Grunde, gemütliche Zeiten, in denen dieser Film spielt — damals, als der Teufel, der die Menschen verwirrt und verführt, noch deutlich nach Schwefel stank und jeder ihn gleich erkannte.

Herrliche Schauspieler ... Michel Simon, der Mephisto: fülliges, witziges, geniales Komödiantentum. Gérard Philipe, halb Märchenprinz, halb Bohemien, fast zu jung, zu charmant und gefällig für den suchend-versuchten Faust, ist am stärksten zu Beginn, nach dem Körpertausch, als er Simons taumelnden Bewegungsstil nahezu parodistisch aufnimmt und langsam verwandelt in seine eigene, federnd gespannte Lebendigkeit...

(Gunter Groll)