Die Außenseiterbande

Mittwoch, 7.6.1967 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Die Außenseiterbande

Programmheft SoSe 1967:

Thematisch leitet sich der Film vom Western und vom amerikanischen Kriminalfilm her. Es geht um zwei junge Männer, um ein Mädchen sowie um ein Haus, in dem viel Geld versteckt ist. umständlich, unter Zugrundelegung von viel Filmerfahrung, wird ein Überfall inszeniert, der zunächst aufgeschoben werden muß und schließlich nicht das erwünschte Resultat bringt; zwei rivalisierende Gangster töten sich gegenseitig. Diese Szene mutet wie die Parodie eines Wildwestfilms an: ironisch will sie Godard jedoch nicht verstanden wissen. Dem Regisseur geht es nicht eigentlich um die Geschichte; er verachtet die Story wie jedes traditionelle Element der Filmherstellung, weshalb er auch im Verlauf des Films Belehrungen für eventuell zu spät kommende Zuschauer bereithält. Was ihn eigentlich zu interessieren scheint, ist die Individualität seiner Personen: von Odile, einem romantischen jungen Mädchen, das bei seiner exzentrischen Tante wohnt und einen Englischkurs besucht, Arthur, der sich mit Billy the Kid identifiziert und mit seinem Simca-Zweisitzer am liebsten die Autoroute de l'Est entlangflitzt‚ und Franz, der die Gestik amerikanischer Gangsterhelden imitiert und davon träumt, beim Rennen von Indianapolis Sieger zu werden.
Natürlich sind auch diese drei Personen keine Individuen, sondern subjektive Schöpfungen Godards, der selbst mit scheinbar ausdrucksloser Stimme literarisch hochgestochene Begleittexte zum Film verliest. Sie schweben in einer Übergangszone zwischen Realität, Phantasie und filmischer Leitbild-Tradition. Godard spielt mit ihnen und läßt bald die eine, bald die andere Seite ihrer Erscheinung aufleuchten. Nebenbei errichtet er, wie man es schon aus seinen anderen Filmen kennt, eine eigene Welt aus Anspielungen und Verweisen. Das Verhältnis der drei Protagonisten erinnert an ,Jules und Jim’; die wilden Fahrten im Auto an ‚Hallelujah the Hills'.
Godard repetiert Szenen aus seinen früheren Filmen, gibt dann wieder seinen literarischen Neigungen Raum, zitiert lang aus ,Romeo und Julia‘ und macht sich über T. S. Eliot lustig. Dieser Film will nicht mehr sein als eine fröhliche Improvisation, und als solche kann man ihn durchaus goutieren; mehr noch: erkennen, wie sich bei Godard eine neue Linie der Filmherstellung abzeichnet, die Story und Personen nicht mehr von der Subjektivität eines Gestalters trennt, sondern beide miteinander verschmilzt.

(Ulrich Gregor in „Filmkritik“ 8/64)