Die Liebe einer Blondine

Mittwoch, 16.4.1969 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Die Liebe einer Blondine

Programmheft SoSe 1969:

In Zrûc, einer Industrieansiedlung bei Prag, ist zwar die Schuhfabrikation durch Zentralisierung perfekt organisiert, mit dem geselligen Teil im Leben der Einwohner hapert es jedoch recht empfindlich. Denn dort gibt es für die beschäftigten zweitausend Mädchen kaum mehr als dreißig Männer. Unter diesen unerquicklichen Freizeitbedingungen leidet nicht zuletzt auch die Leistung der beschäftigten Arbeiterinnen. Deshalb begibt sich der Fabrikverwalter nach Prag, um dort im Zentralbüro wegen der Verlegung einer Garnison nach Zrûc vorstellig zu werden. Das Resultat seiner Bemühungen fällt kläglich aus. Aus dem mit Pomp empfangenen Zug steigen keine adretten Jungrekruten, die enttäuschten Augen der am Bahnhof versammelten Mädchen fallen vielmehr auf eine Gruppe von Reservisten, die mit einem militärischen Lied auf den Lippen in die Kaserne abziehen. Am Samstag veranstaltet die Schuhfabrik ein Tanzfest, bei dem Andula und zwei Kolleginnen von drei Soldaten umworben erden. Zu vorgerückter Stunde, als die Stimmung im Tanzsaal unerträglich geworden ist, wird Andula von dem Jazzpianisten Milda angesprochen, der das zunächst zögernde Mädchen überredet, mit ihm das Nachtlager zu teilen. Eine Woche später fährt Andula per Anhalter nach Prag, um ihren neuen Freund zu besuchen. Der Empfang im Haus der EItern ist mehr als frostig und Milda selbst scheint sich kaum noch seiner Wochenendbekanntschaft zu erinnern.

Wie in „Schwarzer Peter” profitiert Milos Forman von der komischen Wirkung banaler Vorgänge, die er mit Berechnung ordnet. Erst der Stellenwert, der manchen Handlungspartikeln in der Montage zukommt, bewirkt, daß Andulas Umwelt — wie zuvor die des schwarzen Peter — in einem kritischen Licht erscheint. Der abgestandene Sermon der Lehrerin vor den versammelten Mädchen in der Fabrik wirkt bereits wie ein Alptraum: „Ihr habt alle das Leben vor euch und ihr wollt glücklich sein ihr wollt einen netten jungen Mann heiraten, den ihr liebt und der euch das ganze Leben lang lieben wird. Aber so ein Leben will verdient sein.“ Indem Forman das mit Pathos vorgetragene Blablabla der Nacht auf Mildas Zimmer und einem Streit zwischen Andula und Tonda folgen läßt, verdeutlicht er zusätzlich die Diskrepanz zwischen den proklamierten Verhaltensmodellen von gestern und der unverstellten Moral der Mädchen vom Schlage Andulas.

Komisch sind daher Forman nicht die jungen Leute, komisch sind allein die Alten mit ihren anachronistischen Patentlösungen. Andula und ihre Freundinnen — wie auch Milda bei seinen Eltern in Prag — haben längst gelernt. daß ein Widerspruch zwecklos ist. Sie heucheln Anpassung und desavouieren in Wahrheit die lästigen Maximen durch entgegengesetztes Verhalten.

Filmkritik Klaus Hellwig