Die bleierne Zeit

Donnerstag, 5.5.1983 21:00  ! Audimax
21:00 Die bleierne Zeit

Programmheft SoSe 1983:

Es stehen hier zwei Schwestern im Mittelpunkt, die im Krieg geboren und in den 50-er Jahren der Adenauer-Ära, eben in der 'bleiemen Zeit' in einer Pastorenfamilie aufgewachsen sind.
Durch den Aufbruch der verkrusteten Strukturen durch die 68-er Bewegung beginnt für beide ein neues Leben, eine neue Zeit. Jede der Schwestern reagiert auf ihre Weise: Juliane, in der Kindheit leidenschaftlich und oppositionell, geht den pragmatischen Weg, sie schließt sich der Frauenbewegung an und versucht als Redakteurin einer engagierten Frauenzeitschrift Veränderungen zu erreichen; Marianne, als Kind gehorsam und anschmiegsam, gibt ihre bürgerliche Existenz auf und endet in einer terroristischen Bewegung. Nach vielen Jahren der Trennung begegnen sich beide, in der Durchführung der politischen Ideen im ständigem Disput, gefühlsmäßig durch gemeinsame Erinnerungen aus der Kindheit aneinander gebunden, wieder, zuletzt nur noch durch Gefängnisbesuche. Diese gefühlsmäßige Bindung verstärkt sich durch den Tod Mariannes. Juliane glaubt nicht an die offizielle Version des Selbstmordes und versucht, unter Verzicht auf die Beziehung zu ihren Freund, die Umstände von Mariannes Tod zu klären. Doch die Presse winkt ab, da das Thema bereits passé sei und sich keiner mehr für Stammheim und seine Folgen interessiere.

Dieser Film ist Christiane Ensslin gewidmet. Er schreibt die Parteilichkeit der Regisseurin fest, welche die im Film beschriebenen familiären Verhältnisse von Gudrun und Christiane Ensslin kennt.
Dabei interessierte sich M. von Trotta weniger für die Hintergründe und Motivationen, die einen Menschen zum 'Terroristen' werden lassen, mehr für die eindringlichen Bilder aus der Kindheit und dem Elternhaus, die im Film als Rückblicke in gegenwärtige Situationen eingeblendet werden.

Die Kamera von Franz Rath nimmt Kleinigkeiten wahr, so die eisige Miene des weiblichen Gefängnispersonals, die nur bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Schwestern eine schadenfrohe Bewegung zeigt, oder das Spiegeln von Julianes Gesicht in der schußsicheren Trennscheibe bei der letzten Begegnung vor Mariannes Tod.

Ein Satz von Mariannes Manns "Als ob ihre verflixten Ideen nicht auch in uns ... drin steckten. Nur sind wir zu feige - oder zu vernünftig."