Eine Saison in Hakkari

Donnerstag, 12.12.1985 19:00  ! Audimax
19:00 Eine Saison in Hakkari

Programmheft WS 85/86:

Bislang sind nur wenige türkische Filme hier bekannt. Die besten fallen auf wegen ihrer besonderen poetischen Realistik, einer dokumentarischen , melancholisch-herben Lyrik, ihrer schlichten, sehr persönlichen Betrachtungsweise. Klagende Thematik haben sie gemeinsam: von unwegsamen, landschaftlich und politisch versperrten Verhältnissen, von Armut, elementarer Bildungsnot, von Fremdheit und Selbstentfremdung.

"Eine Saison in Hakkari" von Erden Kiral erzählt eine beispielhafte, zugleich symbolische Geschichte : Das Dorf Yonkali liegt nahe der iranischen Grenze, ohne Strom, Leitungswasser, geregelte Abflüsse oder Telefon. Nicht eine winzige Straße führt hin. Notdürftiges befördert der Maulesel. Hunde hält man, um die Siedlung gegen Wölfe zu schützen. In diesen Verbannungsort kommt für einen Winter ein Lehrer aus Istanbul. Mit jedem Schritt, der ihn der Ortschaft näher bringt,spürt er, wie er sich aus seiner Zeit entfernt. Eine andere Zeitrechnung, andere Gesetze scheinen zu herrschen. Neben der unwirtlichen, gigantischen Berglandschaft, die die meisten Dorfbewohner noch nie verlassen haben, entdeckt er für sich eine Vielzahl von Menschenlandschaften. So lernt er diese fremden Menschen in ihrer andersartigen, unbewußten Einsamkeit lieben. Als er sie verlassen soll, ist ihm klar, daß er ihnen auch nur ein Fremder sein konnte.

Der Film schildert mit einer verführerischen Anmut einen Kulturkonflikt, in dessen Verlauf niemand der Beteiligten seine Identität aufgeben muß; er läßt uns ahnen, welche Schwierigkeiten die in die Bundesrepublik eingewanderten Türken durchleben mußten, um einen Ort in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit zu finden.