Die Straße der Negerhütten

Donnerstag, 30.1.1986 19:00  ! Audimax
19:00 Die Straße der Negerhütten

Programmheft WS 85/86:

In ihrem ersten Spielfilm, der zugleich der erste der Antillen überhaupt ist, erzählt die Regisseurin Euzhan Palcy die Geschichte eines farbigen Jungen in der Kolonialzeit. Schauplatz ist ein Dorf in der Nähe der Hauptstadt von Martinique während der dreißiger Jahre in der französischen Kolonialzeit. Mit anderen Kindern wächst José in der Straße der Negerhütten auf, tagsüber alleingelassen, weil die Erwachsenen in den Zuckerrohr-Plantagen arbeiten; betreut wird er von seiner Großmutter und von dem alten Medouze, einem väterlichen Freund und Lehrmeister. Die Generation von Medouze hat noch die Sklaverei erlebt und träumt geduldig von der verlorenen afrikanischen Heimat. Diese Geduld beruht freilich auf leidvollen Erfahrungen mit der Ausbeutung durch die weißen Landesherren und letztlich auf Resignation; die Fronarbeit auf den Feldern scheint ihre Kraft fast verbraucht zu haben, und Medouze wird eines Nachts tot aufgefunden. Wie ein Symbol der Hoffnung wirkt da der junge José: Wegen seiner vor allem sprachlich enormen Begabung fällt er in der Schule auf und wird für ein Stipendium vorgeschlagen; zwar besteht er die Prüfung in Fort de France, doch für seinen Aufenthalt in der Hauptstadt muß die Großmutter dort zusätzliches Geld verdienen. Trotz aller ökonomischen Probleme, trotz des Heimwehs und auch nach dem Tod der Großmutter wird José nicht aufgeben und den Weg in ein anderes Leben schaffen.

"Der Unterricht ist der Schlüssel zum zweiten Tor unserer Freiheit" diesen Satz hatte der Lehrer in der Dorfschule an die Tafel geschrieben, um seine Schüler zu motivieren, den ersten Schritt, der Abschaffung der Sklaverei, einen zweiten, aktiveren folgen zu lassen. José scheint die Bedeutung dieses Satzes mehr zu erahnen als zu begreifen und geht seinen Weg eher instinktiv, unterstützt von den alten Leuten, die in dem Jungen ein Zeichen der Hoffnung auf Überwindung ihrer Lebensbedingungen sehen. Dabei hat er es manchmal nicht nur aus ökonomischen Gründen schwerer als seine weißen Mitschüler, weil man ihm, dem farbigen Kind aus dem Dorf, einfach weniger zutraut und ihn beispielsweise ein Lehrer bitter kränkt mit dem unberechtigten Vorwurf, seinen Aufsatz irgendwo anders abgeschrieben zu haben.

Als Vorlage für "Straße der Negerhütten" diente E.Palcy der gleichnamige Roman von Joseph Zobel, der in seinem Ursprungsland mehr als zwei Jahrzehnte lang verboten war.

Durch stürmische Ovationen der Zuschauer beim Filmfestival von Venedig 1983 gefeiert, ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen für das beste Erstlingswerk, hat "Rue Cases Negres" bei seinem Kinostart in Martinique sogar den Welterfolg "E.T." in den Schatten gestellt.
(nach filmdienst 15/84)